Am 10. Januar 2020 besucht uns Frau Prof. Röder von der Universität Basel. In ihrem Vortrag für die Teilnehmer der Unter- und Mittelstufe stellt sie uns die archäologische Kindheitsforschung vor.
Kinder und Jugendliche machten in urgeschichtlichen Gesellschaften die Mehrheit der Bevölkerung aus. Doch die Prähistorische Archäologie, die diese Gesellschaften erforscht, zeichnete stattdessen lange «eine Welt der Erwachsenen»:
So sind auf den meisten Rekonstruktionszeichnungen zum Alltagsleben in der Urgeschichte mehrheitlich, zum Teil sogar ausschließlich Erwachsene zu sehen. Auch in den Fachbüchern und Museumsvitrinen gibt es nur wenige Dinge (z.B. Trinkfläschchen und mögliche Spielsachen), die mit Kindern in Verbindung gebracht werden.
Haben urgeschichtliche Kinder also kaum Spuren hinterlassen? Und sind sie deshalb auch nahezu spurlos aus der Geschichte verschwunden? Oder liegt das Problem vielmehr bei den Archäologinnen und Archäologen, die lange nicht in der Lage waren, die Spuren, die die Aktivitäten von Kindern zurückgelassen haben, zu erkennen und zu verstehen?
Diese Fragen geht die archäologische Kindheitsforschung nach. Sie ist eine ganz junge Fachrichtung, die zwar noch «in den Kinderschuhen» steckt, aber schon jetzt völlig neue Blickwinkel und Erkenntnisse eröffnet. Wie diese neue Forschungsrichtung arbeitet und was sie in Zusammenarbeit mit naturwissenschaftlichen Disziplinen über die Lebensverhältnisse von Kindern in der Urgeschichte herausfinden kann, steht im Mittelpunkt der Veranstaltung. An konkreten Beispielen wird aufgezeigt, wie Kinder all die Dinge gelernt haben, die sie damals wissen und können mussten. Wir werden sehen, dass sich die Kinder schon früh maßgeblich an den täglich anstehenden Arbeiten beteiligt haben – vom Jagen, Sammeln und Fischen bis hin zur Mitarbeit in einem Salzbergwerk.
Methoden aus der Kriminalistik liefern schließlich Hinweise darauf, dass sie wahrscheinlich schon als Kleinkinder an Ritualen mitwirkten und möglicherweise auch an der Schaffung der ältesten Kunstwerke der Menschheit beteiligt waren.
Kurz: Im Licht der archäologischen Kindheitsforschung wird deutlich, dass urgeschichtliche Kinder in vielen Bereichen eine wichtige Rolle spielten und deshalb in gleichem Maße wie die Erwachsenen in die Rekonstruktion der Lebensverhältnisse einbezogen werden müssen.